Erfolgreiche Forschung im Deutschen Zentrum für Lungenforschung: Neu entdeckte anti-inflammatorische Eigenschaften von Alpha1-Antitrypsin eröffnen therapeutische Perspektiven bei entzündlichen Erkrankungen

In der Arbeitsgruppe von Frau Prof. Dr. Sabina Janciauskiene aus der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover wird die Bedeutung von Protease-Antiprotease¬systemen auf die Regulation der Abwehrmechanismen des angeborenen Immunsystems bei akuten und chronischen Entzündungsreaktionen untersucht.
Im Fokus der Untersuchungen steht speziell das Alpha1-Antitrypsin, ein Akute-Phase-Protein und Serinproteaseninhibitor, welches zu den häufigsten Proteaseinhibitoren im Blutplasma gehört. Die klinische Bedeutung des Alpha1-Antitrypsins zeigt sich besonders bei Personen, die einen Mangel dieses Proteins aufweisen. So haben Menschen mit einem  Alpha1-Antitrypsin-Mangel ein erhöhtes Risiko, bereits in jungen Jahren ein Lungenemphysem oder eine Leberzirrhose zu entwickeln.

Bereits vor mehr als 50 Jahren konnte gezeigt werden, dass das Alpha1-Antitrypsin eine hemmende Wirkung auf die neutrophile Elastase ausübt, die von neutrophilen Granulozyten im Rahmen von Entzündungsreaktionen vor Ort freigesetzt wird. Ausgehend vom Konzept eines Proteasen/Antiproteasen-Ungleichgewichts als Ursache des Lungenemphysems wur-de vor ca. 25 Jahren die Erhöhung des zirkulierenden Alpha1-Antitrypsin-Serumspiegels als spezifische Therapie für Emphysempatienten mit schwerem Alpha1-Antitrypsin-Mangel ein-geführt. Derzeit erhalten in Deutschland ca. 1000 Patienten mit schwerem Lungenemphysem eine Substitutionstherapie mit Alpha1-Antitrypsin, obwohl der genaue Wirkmechanismus von  Alpha1-Antitrypsin noch nicht vollständig aufgeklärt ist und der Nutzen dieser Therapie zu-dem nicht eindeutig erwiesen ist.

Zusammen mit ihren Kooperationspartnern im Deutschen Zentrum für Lungenforschung, Prof. Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie der MHH, der Gruppe von Dr. Danny Jonigk aus dem Institut für Pathologie, Abteilung Lungenforschung der MHH und Prof. Armin Braun vom Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin in Hannover und weiteren internationalen Kooperationspartnern und konnte die Arbeitsgruppe von Frau Prof. Janciauskiene nun erstmalig belegen, dass das Alpha1-Antitrypsin neben der bekannten Antielastaseaktivität auch eine hiervon unabhängige immunmodulatorische und anti-inflammatorische Wirkung besitzt. Hierbei bieten die neu charakterisierten Eigenschaften des Alpha1-Antitrypsins interessante therapeutische Perspektiven, die zu einer Erweiterung der Indikation einer Alpha1-Antitrypsin -Substitutionstherapie führen könnten.

Präklinischen Untersuchungen zur Folge kann die Alpha1-Antitrypsin-Therapie auch bei Er-krankungen wie Diabetes mellitus, Myokardinfarkt, rheumatoider Arthritis, entzündlichen Darmerkrankungen, zystischer Fibrose, Transplantatabstoßungsreaktionen und Multipler Sklerose erfolgreich sein, indem eine pro-inflammatorische Immunantwort zu einer anti-inflammatorischen Immunantwort umgeschaltet wird. Dieser Mechanismus ist erforderlich für die Auflösung und Abheilung von Entzündungsreaktionen. Derzeit wird das Alpha1-Antitrypsin in klinischen Studien bei Patienten mit Typ I Diabetes, zystischer Fibrose und Graft-vs-Host-Disease untersucht.

Die neu entdeckten anti-inflammatorischen Eigenschaften des Alpha1-Antitrypsins eröffnen zudem ein völlig neues Forschungsfeld und eine Basis für die Entwicklung neuartiger Wirk-stoffe und Therapien. So konnte die Arbeitsgruppe von Frau Prof. Janciauskiene bereits ers-te Peptide identifizieren, die ausgezeichnete immunmodulatorische Eigenschaften besitzen und als Ausgangspunkt für Alpha1-Antitrypsin-Peptidmimetika und -analoga dienen könnten. Hierauf basierend  konnte die Therapie mit exogenem AAT breite anti-inflammatorische und immunmodulatorische Wirkungen in verschiedenen Modellen für systemische und lokale Entzündungen zeigen.

Diese neu entdeckten anti-inflammatorischen Eigenschaften des Alpha1-Antitrypsins wurden kürzlich im renommierten Journal Proceedings of the National Academy of the National Aae-demy of Science of the United States of America (PNAS) veröffentlicht.

Weitere Informationen erhalten Sie unter: janciauskiene.sabina@mh-hannover.de

Publikation:
Jonigk, D., Al-Omari, M., Maegel, L., Müller, M., Izykowski, N., Hong, J., Hong, K., Kim, S.-H., Dorsch, M., Ma-hadeva, R., Laenger, F., Kreipe, H., Braun, A., Shahaf, G., Lewis, E.C., Welte, T., Dinarello, C.A., Janciauskiene, S.; Anti-inflammatory and immunomodulatory properties of α1-antitrypsin without inhibition of elastase, (2013), Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 110 (37), pp. 15007-15012.

Text: Danny Jonigk 

Interdisziplinäres Forscherteam: (v.l.n.r.) Prof. Dr. T. Welte, PD Dr. H. Golpon, Prof. Dr. S. Janciauskiene, PD Dr. D. Jonigk, Prof. Dr. A. Braun