Erste Zulassung eines inhalativen Antibiotikums für die Behandlung der NTM-Lungenerkrankung

Nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM) können, insbesondere bei zusätzlicher Immunschwäche oder chronischen Lungenerkrankungen eine chronische Lungeninfektion verursachen. Die Therapie ist sehr aufwändig, muss immer in Kombination von mindestens drei Tablettenantibiotika über mindestens 12-18 Monate durchgeführt werden und wird daher häufig nur mäßig bis schlecht vertragen. Eine inhalative antimikrobielle Therapie stand bisher nicht zur Verfügung. Die Ergebnisse der CONVERT-Studie, an der auch BREATH-Wissenschaftler Dr. Felix Ringshausen beteiligt ist, führten jetzt zur Zulassung des ersten inhalativen Antibiotikums zur Behandlung von durch NTM verursachter Lungenerkrankung (NTM-Lungenerkrankung).

Mykobakterien werden in erster Linie mit Mycobacterium tuberculosis in Verbindung gebracht, dem Erreger der Tuberkulose. Es gibt aber eine Vielzahl weiterer Arten, die sogenannten nichttuberkulösen Mykobakterien (NTM). Diese überall in der Umwelt vorkommenden Bakterien sind selten krankheitserregend. Bei Vorliegen einer Immunschwäche oder z.B. einer Vorschädigung durch COPD, Bronchiektasen oder Mukoviszidose (Cystische Fibrose, CF) können NTM allerdings chronische und schwierig zu behandelnde Infektionen der Lunge verursachen. In Europa tritt dabei am häufigsten Mycobacterium avium Complex (MAC) als Krankheitsverursacher auf. Die NTM-Lungenerkrankung wird in Deutschland nur verhältnismäßig selten diagnostiziert, mit aktuell zwischen 2000-3000 Fällen pro Jahr. Es wird jedoch vermutet, dass die Krankheit auf Grund der wenig spezifischen Symptomatik stark unterdiagnostiziert ist. Die Behandlung der NTM-Lungenerkrankung gestaltet sich häufig deutlich aufwändiger als die Therapie einer unkomplizierten Lungentuberkulose.

Das gut gegen Mykobakterien wirksame Antibiotikum Amikacin wird in der Standardtherapie bei schweren Erkrankungsfällen üblicherweise intravenös verabreicht, kann dabei aber starke Nebenwirkungen verursachen, insbesondere Störungen der Nierenfunktion sowie Schädigungen des Gehörs und Gleichgewichtsorgans.

Eine neuartige Möglichkeit, Amikacin zu verabreichen, besteht darin, das Antibiotikum in Liposomen zu verpacken. Auf diese Weise kann Amikacin sicher inhaliert werden und direkt am Krankheitsort gegen die üblicherweise intrazellulär gelegenen Erreger wirken. Diese neuartige Darreichungsform wurde in der klinischen Phase III Studie CONVERT, an der auch die Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover unter Federführung von BREATH-Wissenschaftler Dr. Felix Ringshausen beteiligt war, untersucht. Auf Grundlage dieser Studie wurde das liposomal verpackte Amikacin kürzlich in Amerika als erste spezifische Behandlung von durch NTM verursachten Bronchiektasen zugelassen. Das Präparat kann nun für die Therapie der refraktären MAC-Bronchiektasen angewendet werden, d.h. wenn nach einer 6-monatigen Leitlinienbasierten Standardtherapie immer noch Mykobakterien kulturell nachweisbar sind. Dr. Ringshausen erklärt: „Eine inhalative Therapie der NTM-Lungenerkrankung durch MAC stand bisher nicht zur Verfügung. Trotz bestehender Leitlinien werden Patienten häufig mit einer Vielzahl von verschiedenen Behandlungsansätzen therapiert, besonders wenn starke Nebenwirkungen auftreten oder die Patienten auf die Standardtherapie nicht ansprechen.“ Der Wissenschaftler und Kliniker leitet die Bronchiektasen-, NTM- und Mukviszidose-Ambulanz an der MHH und betreut eine große Zahl an Patienten mit NTM-Lungenerkrankung.

Für die CONVERT-Studie wurden Patienten rekrutiert, in denen trotz leitliniengerechter Standardtherapie für die NTM-Lungenerkrankung durch MAC auch nach über 6 Monaten noch MAC-Bakterien nachgewiesen werden konnten. Von den rund 300 in der Studie eingeschlossenen Patienten erhielten etwa 100 weiterhin die Standardtherapie, während die restlichen 200 Patienten zusätzlich einmal täglich liposomales Amikacin zur Inhalation (LAI) erhielten. Die Patienten werden bis zum Zeitpunkt des negativen MAC-Nachweises und darüber hinaus noch weitere 12 Monate behandelt.

Die Autoren der Studie berichteten kürzlich im American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine über die 6-Monatsergebnisse. Nach dieser Zeit zeigten die Patienten unter zusätzlicher Therapie mit LAI eine Verbesserung der Bakterienlast. In 29% dieser Gruppe im Vergleich zu lediglich 9% der Patienten der Kontrollgruppe wurden nach 4 Monaten Therapie wiederholt keine MAC-Bakterien mehr nachgewiesen. Obwohl im 6-Minuten-Gehtest insgesamt kein Unterschied zwischen den beiden Therapiegruppen beobachtet wurde, schnitten hier diejenigen Patienten, die unabhängig von der Therapie keine Bakterien mehr aufwiesen, jeweils deutlich besser ab, was die klinische Relevanz einer sog. Sputumkonversion unterstreicht. Respiratorische unerwünschte Wirkungen traten unter LAI im Vergleich zur Standardtherapie zwar häufiger auf, waren aber oft nur von kurzer Dauer. Schwere Nebenwirkungen waren aber gleich häufig.

Liposomales Amikacin zur Inhalation zusätzlich zu einer Standardtherapie erwies sich damit als effektiv zur Behandlung von der NTM-Lungenerkrankung durch MAC. Die Autoren empfehlen auf Grundlage ihrer Ergebnisse, LAI auch für Patienten mit anderen NTM-Infektionen und in der Erstlinientherapie zu testen. Eine Zulassung von LAI in Deutschland wird für 2020 erwartet.

 

Der Link zur Originalpublikation.

 

Text: BREATH / CD

Bild: MHH /Tom Figiel

Dr. Felix Ringshausen, Leiter der Bronchiektasen-, NTM- und Mukoviszidose-Ambulanz an der MHH