Akute-Phase-Proteine hemmen sterile Entzündung

Interleukin-1β (IL-1β) ist ein starkes pro-inflammatorisches Cytokin des angeborenen Immunsystems, das nach Zellschädigung, z.B. durch chirurgische Eingriffe und Transplantationen, freigesetzt wird. Zu hohe Konzentrationen von IL-1β können zu einer lebensbedrohlichen systemischen Entzündung führen. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) haben jetzt Agonisten entdeckt, die die Freisetzung von IL-1β limitieren. Dies könnte zur Entwicklung neuer Therapien zur Behandlung systemischer Entzündungen beitragen.

Wissenschaftler der DZL-Standorte am Labor für Experimentelle Chirurgie und am Institut für Anatomie und Zellbiologie (beide an der Universität Giessen, UGMLC), der Abteilung für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover und dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (beide BREATH, Hannover) sowie dem Institut für Medizinische Biometrie und Statistik (Universität zu Lübeck, ARCN), haben kürzlich einen neuen entzündungshemmenden Mechanismus mit hoher klinischer Bedeutung beschrieben.

Interleukin-1β (IL-1β) ist ein starkes pro-inflammatorisches Cytokin des angeborenen Immunsystems. Es kann als Reaktion auf extrazelluläres ATP freigesetzt werden, das in erster Linie als ein endogenes Alarmsignal fungiert, das von geschädigten Zellen ausgeht. Zellschäden werden typischerweise durch Unfälle, größere Operationen oder extrakorporale Zirkulation (z.B. Herz-Lungen-Maschine o.ä.) verursacht. Eine wichtige Funktion von IL-1β ist dabei der Schutz vor Infektionen. Eine zu hohe systemische Konzentration von IL-1β kann jedoch zu lebensbedrohlichen systemischen Entzündungen und sogar Tod durch Multiorganschäden führen. Vor drei Jahren entdeckte das von Prof. Dr. Veronika Grau geleitete Labor für Experimentelle Chirurgie, dass die Stimulation von Acetylcholinrezeptoren auf humanen Monozyten, die ATP-vermittelte Freisetzung von IL-1β wirksam hemmt. In diesem Zusammenhang wurde eine Reihe bisher unbekannter endogener, unkonventioneller Acetylcholin-Rezeptor-Agonisten entdeckt. Alle diese Agonisten tragen eine Phosphocholin-Kopfgruppe.

DZL-Wissenschaftler entdeckten, dass die cholinerge Kontrolle der monozytären IL-1β-Freisetzung auch durch die zwei Akute-Phase-Proteine, C-reaktives Protein (1) und α1-Antitrypsin (2), aktiviert wird. C-reaktives Protein, wird täglich unzählige Male in der klinischen Routine gemessen, aber seine konkrete biologische Funktion ist kaum verstanden. Natives menschliches C-reaktives Protein, ein Pentamer, das ein Phosphocholin pro Monomer bindet, erwies sich als starker Acetylcholin-Rezeptor-Agonist. Durch die Potenzierung der Wirkung von endogen verfügbarem Phosphocholin begrenzt das C-reaktive Protein die Freisetzung von IL-1 β und verhindert somit eine Entzündung (1).

Der Mechanismus, durch den die Anti-Protease α1-Antitrypsin die monozytären Acetylcholinrezeptoren aktiviert, ist komplizierter (2). DZL-Wissenschaftler konnten zeigen, dass α1-Antitrypsin diesen Rezeptor nicht direkt aktiviert. Stattdessen bindet es auf Monozyten an den Zelloberflächenrezeptor CD36, was eine Sekretion niedermolekularer Faktoren triggert, die wiederum in monozytären Zellen als Acetylcholin-Rezeptor-Agonisten fungieren. Ein ähnlicher Signalweg wird auch durch β-Nicotinamidadenindinukleotid induziert, ein weiteres zytoplasmatisches Molekül, das von verletzten Zellen zusammen mit ATP freigesetzt wird (3).

Interessanterweise missbrauchen verschiedene menschliche Pathogene die endogene cholinerge Kontrolle der Freisetzung von IL-1β. Hierzu tragen sie auf ihrer Zelloberfläche modifizierte Moleküle, die ebenfalls Phosphocholin tragen und umgehen so die Immunantwort. Dazu gehört u.a. auch Haemophilus influenzae (4). Diese Beobachtung unterstreicht die biologische Relevanz dieses neu entdeckten entzündungshemmenden Mechanismus.

Diese neuen Erkenntnisse können den Weg für die Entwicklung neuer Therapien zur Behandlung systemischer Entzündungen ebnen, die durch alle Arten von traumatisierenden medizinischen Behandlungen, einschließlich Organtransplantation und extrakorporaler Membranoxygenierung, verursacht werden. Denkbar ist außerdem die Entwicklung von antimikrobiellen Therapien, die auf den Wirt, anstatt das Pathogen ausgerichtet sind.

 

Verweise:
1. Richter K, Sagawe S, Hecker A, Küllmar M, Askevold I, Damm J, Heldmann S, Pöhlmann M, Ruhrmann S, Sander M, Schlüter K-D, Wilker S, König IR, Kummer W, Padberg W, Hone AJ, McIntosh JM, Zakrzewicz AT, Koch C, Grau V (2018) C-Reactive protein stimulates nicotinic acetylcholine receptors to control ATP-mediated monocytic inflammasome activation. Front Immunol 9: 1604, doi: 10.3389/fimmu.2018.01604
2. Siebers K, Fink B, Zakrzewicz A, Agné A, Richter K, Konzok S, Hecker A, Zukunft S, Küllmar M, Klein J, McIntosh JM, Timm T, Sewald K, Padberg W, Aggarwal N, Chamulitrat W, Santoso S, Xia W, Janciauskiene S, Grau V (2018) Alpha-1 antitrypsin inhibits ATP-mediated release of interleukin-1β via CD36 and nicotinic acetylcholine receptors. Front Immunol 9:877, doi: 10.3389/fimmu.2018.00877
3. Hiller SD, Heldmann S, Richter K, Jurastow I, Küllmar M, Hecker A, Wilker S, Fuchs-Moll G, Manzini I, Schmalzing G, Kummer W, Padberg W, McIntosh JM, Damm J, Zakrzewicz A, Grau V (2018) β-nicotinamide adenine dinucleotide (β-NAD) inhibits ATP-dependent inflammasome activation in human monocytic cells. Int J Mol Sci 19: 1126, doi: 10.3390/ijms19041126
4. Richter K, Koch C, Perniss A, Wolf PM, Schweda EKH, Wichmann S, Wilker S, Magel I, Sander M, McIntosh JM, Padberg W, Grau V (2018) Phosphocholine-modified lipooligosaccharides of Haemophilus influenzae inhibit ATP-induced IL-1β release by pulmonary epithelial cells. Molecules. 23: E1979, doi: 10.3390/molecules23081979

 

Text: UGMLC / Veronika Grau

Bild: UGMLC und MHH / Kaiser

Prof. Dr. Veronika Grau, Leiterin des Labors für Experimentelle Chirurgie an der Universität Giessen