Prof. Tobias Welte übernimmt Präsidentschaft der European Respiratory Society

Am 18.09. hat Prof. Dr. Tobias Welte die Präsidentschaft der European Respiratory Society (ERS) übernommen. In der 1990 gegründeten Gesellschaft sind Experten aus dem Bereich der Pneumologie aus über 160 Ländern organisiert. Neben ihrer Rolle, Politik und Gesellschaft für das Thema Lungenerkrankungen zu sensibilisieren, unterstützt die ERS außerdem die medizinische Forschung. Internationale Expertenkommissionen der ERS formulieren regelmäßig gemeinsame Standards für die Atemwegsmedizin und tragen so zu einer stetigen Verbesserung der klinischen Praxis bei.

Tobias Welte studierte Medizin an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Nach Stationen in Boston und Magdeburg nahm er 2005 einen Ruf an die MHH an. Dort leitet er bis heute die Klinik für Pneumologie. Er ist Mitglied im Vorstand des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) und Direktor am hannoverschen DZL-Standort BREATH. Neben seiner Arbeit als Pneumologe spezialisierte sich Prof. Welte in der Intensiv- und Infektionsmedizin und ist ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Influenzaforschung. Ein besonderer Schwerpunk seiner Arbeit liegt in der Beteiligung an klinischen Studien, sowohl industriefinanziert als auch wissenschaftsgetrieben (sog. Investigator Initiated Trials). Prof. Welte wird den Schwerpunkt seiner ERS-Präsidentschaft darauf setzen, ökonomisch schwächere Länder im Rahmen der ERS zielgerichteter zu fördern und die wissenschaftliche Vernetzung innerhalb der ERS weiter zu stärken. Höhepunkt seiner Präsidentschaft wird der ERS Presidential Summit mit dem Schwerpunkt „Unmet Needs in Respiratory Medicine“ sein, der vom 06.-07. Juni 2019 im Schloss Herrenhausen in Hannover stattfinden wird.

Weitere Informationen zu Prof. Weltes Plänen für seine Präsidentschaft finden Sie im nachfolgenden Interview.

Professor Welte, was hat Sie dazu motiviert sich für das Amt des Präsidenten der ERS zu bewerben?
Die ERS ist die führende pneumologische Fachgesellschaft überhaupt. Sie veranstaltet den größten pneumologischen Kongress weltweit, bietet ein ausgezeichnetes Fort- und Weiterbildungsprogramm und hat es in den letzten Jahren auch geschafft, über ihr Brüsseler Büro Pneumologie in der Politik zu vertreten. Die Stärke der ERS ist dabei ist die Zusammenarbeit aller Wissenschaftler und klinisch tätigen Kollegen und die Einbindung der nationalen Fachgesellschaften im Dienste und zum Wohle der Pneumologie. Es ist eine Ehre die Weiterentwicklung der Gesellschaft und damit auch des Faches Pneumologie als Präsident maßgeblich beeinflussen zu können.

Was sind Ihre Ziele für die ERS während Ihrer Präsidentschaft?
Die ERS ist eine wissenschaftliche Gesellschaft, die bisher in erster Linie auf ihren Veranstaltungen wissenschaftliche Ergebnisse präsentiert und die Diskussion darüber gefördert hat. Sie hat bisher jedoch kaum aktiv den wissenschaftlichen Prozess gestaltet. Die ERS hat in den letzten Jahren Strukturen geschaffen, um wissenschaftlich aktive Gruppen zusammenzuführen, sie übernimmt dabei einen aktiven Part in der Gestaltung zukünftiger wissenschaftlicher Programme. Diesen Prozess möchte ich stärken.
Mein zweites Anliegen ist es, die ökonomisch schwächeren Länder im Rahmen der ERS zielgerichteter zu fördern. Das stetige Wachstum der ERS ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die USA, überwiegend aus politischen Gründen, für immer mehr Menschen, Wissenschaftler, Kliniker, aber auch Patienten unattraktiv wird. Viele, gerade die asiatischen und afrikanischen Länder, aber auch Südamerika, orientieren sich zunehmend in Richtung Europa. Die Bedürfnisse dieser Länder sind jedoch andere als die der europäischen Länder, vor allem der wirtschaftlich starken, westeuropäischen Länder. Die ERS sollte den geänderten Anforderungen Rechnung tragen und in allen Bereichen, vor allem aber im Hinblick auf Fort-, Aus- und Weiterbildung und auf die Patientenversorgung den Erwartungen dieser Länder entgegenkommen. Hier neue Programme zu initiieren ist sicher ein Ziel für meine Präsidentschaft.

Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Errungenschaft in der Pneumologie in den letzten Jahren?
Die Pneumologie, deren historische Wurzeln ja in der Behandlung von Tuberkulosepatienten liegen, hat den Anschluss an die moderne, molekular und zellbiologische Medizin lange verschlafen. In den letzten Jahren ist es gelungen, dieses Defizit auszugleichen und moderne Diagnostik- und Therapieverfahren, wie z.B. die Biologikatherapie, zu entwickeln. Damit ist der Schritt zu einer präziseren, am Krankheitsprozess orientierten Medizin gelungen. Die Einführung der Immunonkologika in die Bronchialkarzinomtherapie oder der Zytokinantagonisten bei schwerem Asthma sind die hervorstechenden Beispiele dieses Erfolgs.

Welche aktuellen Entwicklungen sehen Sie in der pneumologischen Forschung?
Viele pneumologische Erkrankungen, wie beispielsweise die Volkskrankheit COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung), sind bisher klinisch funktionell charakterisiert, ohne den Krankheitsprozess vollständig verstanden zu haben. Ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Pathologie und der dynamischen Prozesse der Krankheitsentwicklung wird die Grundlage für neue, erfolgreichere Therapien sein. Diese Forschung und Entwicklung braucht hohe wissenschaftliche Standards, aber eben auch große Patientenkohorten, um Befunde zu sichern und Ergebnisse zu überprüfen. Es muss unser Ziel sein, entsprechende Infrastrukturen aufzubauen, hier kann die ERS eine wesentliche Rolle übernehmen.

Welche großen Herausforderungen sehen Sie aktuell in der Krankenversorgung – und welche Rolle kann dabei die ERS spielen?
Die mit der ERS verbundene European Lung Foundation (ELF) ist eine der größten Patientenorganisationen Europas. Die ELF gibt Patienten die Möglichkeit, ihre Bedürfnisse zu äußern und Defizite in der Versorgung aufzuzeigen. Im Rahmen der ERS kann man von den besten Versorgungssystemen lernen und erfolgreiche Modelle über Landesgrenzen hinaus etablieren. Die größte Herausforderung für die Zukunft sehe ich darin, dass wir einerseits einen breit ausgebildeten Arzt brauchen, um der zunehmenden Multimorbidität einer alternden Gesellschaft gerecht zu werden, andererseits wird jedoch die Medizin komplexer, größere Spezialkenntnisse werden nötig. Den Spagat zwischen Basis- und Spezialanforderungen in der Versorgung werden wir nur durch Kooperation zwischen Berufsgruppen lösen können, das ist ein großes Ziel für die Zukunft.

Worauf freuen Sie sich während Ihrer Präsidentschaft am meisten?
Jeder Präsident darf einen Presidential Summit ausrichten. Ich werde das am 05. und 06. Juni 2019 im Schloss Herrenhausen unter dem Titel: „Die Zukunft der Forschung in der Pneumologie“ tun. Die pneumologische wissenschaftliche Welt trifft sich dann bei uns in Hannover. Ich freue mich sehr, dann unsere Stadt, unseren Wissenschaftsstandort präsentieren zu können.

 

Text: BREATH / CD

Bild: MHH / Tom Figiel

Prof. Dr. Tobias Welte