Alpha-1-Antitrypsin-Mangel und Entwicklung von Krebs

BREATH Wissenschaftlerin Prof. Dr. Sabina Janciauskiene hat in Zusammenarbeit mit Marion Wilkens, der ersten Vorsitzenden des Alpha1 Deutschland e.V., untersucht ob ein Zusammenhang zwischen einer Alpha-1-Antitrypsinmangel-Erkrankung und der Entwicklung von Krebs existiert. Ihre Ergebnisse stellten sie Ende 2019 im Alpha1-Journal vor.

Der Zusammenhang zwischen Entzündungen und der Entstehung von Krebs ist bekannt. Allerdings gehen nicht alle Entzündungszustände mit einem erhöhten Krebsrisiko einher. So zeigen beispielsweise Patienten mit allergischen Erkrankungen, rheumatoider Arthritis oder Myokarditis (Herzmuskelerkrankungen) kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Krebserkrankung. Somit stellt sich die Frage, warum bestimmte anhaltende entzündliche Zustände die Krebsentstehung fördern, andere aber nicht. 
Erhöhte Konzentrationen von Akutphasenproteinen sind oft mit einer schlechteren Prognose für bösartige Tumore verbunden. So spielt Alpha-1-Antitrypsin (AAT) als Akutphasenprotein ebenfalls eine Rolle bei der Krebsentstehung.  Frühere Studien haben gezeigt, dass AAT am Metastasenwachstum verschiedener Krebsarten beteiligt ist, darunter bei Eierstock-, Hals-, Darm-, Brust- und Lungenadenokarzinomen (Erläuterungen finden Sie hier). 

Erhöhte Serumspiegel von AAT wurden bei Patienten mit Karzinomen u.a. in Bauchspeicheldrüse, Prostata, Gebärmutterhals, Eierstock, Brust, Hodgkin-Lymphom und Kehlkopf festgestellt und als nützliche Faktoren für die Prognose vorgeschlagen. Im Einklang damit bestätigten unsere eigenen Ergebnisse von mehr als 300 Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs, dass höhere Serumspiegel von AAT prognostisch für den schlechteren Verlauf der Erkrankung sind. Warum ist das so? Als Reaktion insbesondere auf entzündliche Reize exprimieren verschiedene Krebszellen das AAT-Protein. In früheren Untersuchungen konnten wir zeigen, dass AAT die Migration, Invasivität und Lebensfähigkeit von Lungenkrebszellen signifikant verstärken kann.

Wie sieht es bei Personen mit angeborenem AAT-Mangel aus? Ein schwerer AAT-Mangel ist ein Risikofaktor für die Entwicklung von Leberkarzinomen. Dies geschieht durch angehäufte Polymere des fehlgefalteten AATs und einer unzureichenden Regeneration der Leberzellen. Daten aus dem schwedischen AATM-Register zeigen die Leberzellkrebsdiagnose bei 32 von 1595 Personen mit PiZZ, was einem Anteil von 2% entspricht. Nach Schätzungen im Jahr 2012 liegt die Häufigkeitsrate für Leberzellkrebs pro 100 000 Einwohner in Nordeuropa bei 4,6 Fällen, in Südeuropa bei 9,5 Fällen und in Nordamerika bei 9,3 Fällen, je nach Studie.

Andere Berichte zeigen, dass Menschen mit AAT-Mangel im Allgemeinen ein geringeres oder kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Lungen- und wahrscheinlich auch anderen Krebsarten haben. So belegen beispielsweise Ergebnisse einer Querschnittsuntersuchung unter 720 AAT-Mangel Personen des Alpha-1 Foundation Research Registry an der Medical University of South Carolina, dass nur bei 8 (1,1%) von ihnen Lungenkrebs diagnostiziert wurde. 

Im Einklang damit steht der Vergleich von 1.585 PiZZ Probanden aus dem schwedischen AATM-Register und 5.999 Menschen der Kontrollgruppe. Dieser hat gezeigt, dass krebsbedingte Todesfälle bei PiZZ-Personen mit 11% seltener waren als in der Kontrollgruppe mit 33%. Auf das Lungenkarzinom als Todesursache entfielen 1% der Fälle bei PiZZ-Personen und 4% bei der Kontrollgruppe. 

Anfang 2019 versandte die Patientenorganisation Alpha1 Deutschland eine Umfrage an ca. 400 PiZZler, um Informationen über mögliche Krebsdiagnosen zu sammeln. Insgesamt 111 Personen (62 Männer und 45 Frauen im Alter zwischen 31-90 Jahren) beantworteten die Umfrage. Von diesen 111 erhalten 82 (73,9%) eine ATT-Substitutionstherapie, 29 (26,1%) werden nicht substituiert. Insgesamt berichteten 20 Teilnehmer (18%) über eine Krebsdiagnose.

Die aktuelle Literatur und unsere eigenen Beobachtungen deuten darauf hin, dass ein AAT-Mangel mit einem geringeren Risiko für die Entstehung von Krebs verbunden sein könnte.  Allerdings sind große, prospektive (die weitere Entwicklung betreffende) Studien, sowie Studien, die die Beziehungen von AAT-Genvarianten und Krebs untersuchen, erforderlich, um die Rolle von AAT bei der Entstehung und dem Verlauf einer Krebserkrankung zu bestimmen.

 

Quelle: Ausgabe 2/2019 Alpha1-Journal

Bild: MHH/ Tom Figiel 

BREATH Wissenschaftlerin Prof. Dr. Sabina Janciauskiene

Prof. Dr. Sabina Janciauskiene

Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse