Wie das „OCS Lung“ helfen kann, den Engpass bei Organspenden zu reduzieren

Die DZL Wissenschaftler Prof. Dr. Axel Haverich und Prof. Dr. Gregor Warnecke untersuchten gemeinsam mit Transplantationsspezialisten aus Belgien und den USA wie die Versorgung von Spenderorganen helfen kann, den Mangel an Spenderlungen für Transplantationen zu vermindern. Die länderübergreifende EXPAND Studie könnte nun ein neues Zeitalter der Lungentransplantation einläuten.

Am 16.01.2020 stimmte der Bundestag gegen die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn befürwortete Widerspruchslösung bei der Organspende. Damit bleibt das aktuelle System der zu Lebzeiten notwendigen Zustimmung bestehen. Auch Prof. Dr. Axel Haverich, Leiter des Transplantationszentrums der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), plädierte für die Widerspruchslösung. „Die medizinischen Möglichkeiten der Organtransplantation sind so weit ausgereift, dass wir vielen Menschen helfen könnten, wenn genügend Spenderorgane zur Verfügung stünden“, sagte er vor der Entscheidung des Bundestages. Da die Spendenbereitschaft nach wie vor auf einem niedrigen Level liegt und nach der Entscheidung des Bundestages keine Änderungen zu erwarten sind, müssen andere Wege gefunden werden, um Patientinnen und Patienten zu helfen, die dringend auf ein Spenderorgan angewiesen sind. 

Prof. Dr. Haverich, Leiter der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie (HTTG), und Prof. Dr. Gregor Warnecke, Transplantationschirurg der HTTG, beteiligten sich aus diesem Grund an der EXPAND Studie, die die Verbesserung von Spenderlungen durch den Einsatz des Organ Care System (OCS) Lung untersuchte. 

Aktuell werden nur etwa 20% der Spenderlungen von hirntoten Organspendern tatsächlich für eine Transplantation eingesetzt - die restlichen 80% erfüllen die strikten Vorgaben für Spenderorgane nicht. Durch die insgesamt geringe Anzahl von Spenderlungen und die hiervon tatsächlich genutzten Spenderorgane bleibt ca. 30% der Patienten auf der Warteliste die lebensrettende Transplantation verwehrt. 15% können auf Grund ihres sich immer weiter verschlechternden Gesundheitsstatus nicht mehr operiert werden und müssen von der Liste genommen werden. Weitere 15% versterben, bevor ein passendes Organ gefunden werden konnte. 

In verschiedenen Studien konnte bereits gezeigt werden, dass die Qualität von Spenderorganen signifikant verbessert werden kann, wenn diese während des Transports vom Spender zum Empfänger beatmet und durchblutet werden. Stationäre Systeme für diese Art der Versorgung sind in einigen Kliniken bereits etabliert. Das portable OCS Lung ermöglicht es, die Funktion des Organs vom Zeitpunkt der Entnahme bis zur Transplantation durchgehend aufrecht zu erhalten. Diese Möglichkeit veranlasste die Transplantationsexperten dazu zu untersuchen, ob Spenderlungen, die sonst den strengen Kriterien für Transplantationen nicht genügen, durch das OCS Lung als Transplantat in Frage kommen. 

6 Kliniken aus den USA, eine Klinik aus Belgien und die MHH beteiligten sich an diesem Projekt. Gemeinsam definierten sie für die EXPAND Studie erweiterte Einschlusskriterien, nach denen sonst auszuschließende Organe mittels Nutzung des OCS Lung für Transplantationen genutzt werden sollten. Hierzu zählen u.a. die Spende von Herz-Kreislauf toten Spendern und hirntoten Spendern, die älter als 55 Jahre sind und eine Ischämiezeit, also die Zeit der Minderdurchblutung des Organs, von maximal sechs Stunden aufweisen. Für die Studie konnten 93 Spenderlungen gefunden werden, von denen 81 den Transplantationskriterien entsprachen. 66 der 79 Lungen, die letztendlich implantiert werden konnten, stammten aus den USA und wurden zuvor im Schnitt von 35 Kliniken aufgrund der strengen Kriterien abgelehnt. Die Spenderlungen wurden nach der Entnahme an das OCS Lung angeschlossen und dort mit einer Speziallösung durchgängig gespült, mit zehn Atemzügen pro Minute mit Sauerstoff versorgt und dauerhaft durchblutet. Die Funktion der Lungen wurde nach Entnahme und noch einmal vor der Transplantation in den Empfänger überprüft. 

Nach der Transplantation wurden verschiedene Parameter der Transplantierten beobachtet, wie z.B. die Entwicklung einer „Primary graft dysfunction“ (PGD), eine akute Lungeninsuffizienz oder das Überleben nach 30 Tagen, 6 Monaten und 12 Monaten. Als Referenzwerte wurden die Daten der INSPIRE Studie herangezogen, die ähnliche Untersuchungen mit Spenderlungen durchführte, die allerdings die Standardkriterien erfüllten. 78 der 79 transplantierten Patienten überlebten die ersten 30 Tage, 74 die ersten 6 Monate und 72 die ersten 12 Monate. Dies entspricht den Ergebnissen, die auch die INSPIRE Studie erreichen konnte. Abstoßungsreaktionen wurden in der EXPAND Studie sogar in weniger Fällen beobachtet als in der INSPIRE Studie. Einzig das Auftreten von PGD Syndromen war erhöht. Diesem Aspekt könnte zukünftig durch bestimmte Operationsmethoden entgegengewirkt werden. Aktuell werden Daten über die Langzeitentwicklung der Transplantierten gesammelt. 

Der Vergleich von Spenderlungen, die auf Basis der erweiterten Kriterien ausgewählt wurden und über das OCS Lung versorgt wurden, mit Spenderorganen, die den bisherigen Kriterien entsprechen, zeigt, dass mit dem OCS Lung mehr Organe transplantiert werden könnten als bisher. Patienten müssten damit weniger Zeit auf der Warteliste verbringen, was nicht nur aus medizinischer Sicht wünschenswert ist. Die verkürzte Wartezeit bringt auch hohe finanzielle Einsparungen mit sich, die die Kosten eines OCS Lung für die Kliniken aufwiegen können. Wenn durch den Einsatz des OCS Lung zukünftig mehr Lungen als Spenderorgan in Frage kommen, könnte das eine Revolution der Lungentransplantation darstellen.  
 

 

Text: BREATH/AB
Foto: BREATH

Originalpublikation: Loor, G., Warnecke, G., Villavicencio, M. A., Smith, M. A., Kukreja, J., Ardehali, A., Hartwig, M., Daneshmand, M. A., Hertz, M. I., Huddleston, S., Haverich, A., Madsen, J. C., Van Raemdonck, D. Portable normothermic ex-vivo lung perfusion, ventilation, and functional assessment with the Organ Care System on donor lung use for transplantation from extended-criteria donors (EXPAND): a single-arm, pivotal trial Lancet Respir Med 2019 Aug; : doi: 10.1016/s2213-2600(19)30200-0.       
 

Prof. Dr. Axel Haverich mit dem OCS Lung

Prof. Dr. Axel Haverich mit dem OCS Lung