Stellen wir vor einer Lungentransplantation die richtigen Fragen?

Heute stellen wir das zweite Projekt unserer diesjährigen DZL Posterpreisgewinner vor. Dr. Mariel Nöhre aus der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover beschäftigt sich unter der Leitung von Frau Prof. Martina de Zwaan mit der psychosozialen Evaluation von Patienten vor einer Lungentransplantation.

Es ist bekannt, dass die psychische Komorbidität (zeitgleich vorliegende Erkrankung) bei Patienten vor und nach einer Lungentransplantation hoch ist. In der Richtlinie der Bundesärztekammer für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur Lungentransplantation ist festgehalten, dass bei allen Patienten vor einer Aufnahme auf die Warteliste zur Lungentransplantation eine psychosoziale Evaluation erfolgen sollte. Ziel dieser Evaluation ist es, mögliche psychosoziale Risikofaktoren zu identifizieren.

Wir verwenden standardisierte Interviews, um mögliche Risikofaktoren zu erkennen. In unsere Studie haben wir 390 Patienten vor einer Lungentransplantation aufgenommen und ein Gespräch mithilfe des TERS (Transplant Evaluation Rating Scale) durchgeführt. Zusätzlich wurden die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die Depressivität, Ängstlichkeit und im Nachhinein die Zeit bis zur Listung zur Transplantation erfasst.

Mithilfe von statistischen Testverfahren konnten die Fragen des TERS in zwei Hauptkategorien zusammengefasst werden: „Verhalten“ und „emotionale Empfindlichkeit“. Es konnte gezeigt werden, dass die „emotionale Empfindlichkeit“ in erster Linie mit dem Ausmaß an Ängstlichkeit und Depressivität zusammenhängt. Größere Auffälligkeiten in der Skala „Verhalten“ hingegen hängen in unserer Stichprobe mit einer längeren Zeit bis zur Listung zur Transplantation zusammen. Da  die beiden Kategorien  verschiedene potentielle Problembereiche aus der Praxis abbilden, ist die getrennte Auswertung  aus klinischer Sicht sinnvoll.

Im nächsten Schritt ist geplant zu untersuchen, inwieweit  die Ergebnisse des Fragebogens und die beiden Kategorien mit dem Gesundheitszustand der Patienten ein Jahr nach Transplantation zusammenhängen. Dazu liegen bereits Daten von über 100 Patienten vor. Neben Depressivität, Ängstlichkeit und gesundheitsbezogener Lebensqualität soll auch hier der Zusammenhang mit körperlichen Parametern untersucht werden.

Es ist nicht Ziel dieser Auswertungen einen Schwellenwert des TERS zu definieren, ab dem Patienten nicht mehr transplantiert werden sollten. Vielmehr geht es darum, die Bedeutung verschiedener Aspekte für den Erfolg nach Transplantation zu ermitteln. Viele der im TERS abgefragten Faktoren sind veränderlich: so können beispielsweise psychische Erkrankungen psychotherapeutisch behandelt werden und die Einhaltung der Vorgaben (Adhärenz) zur Einnahme der Medikation kann durch zielgerichtete Maßnahmen verbessert werden. Langfristig ist es Ziel unserer Forschung, Aspekte, die  eine erfolgreiche Transplantation gefährden können, noch gezielter frühzeitig zu identifizieren und den Patienten davon ausgehend schnellstmöglich geeignete psychosoziale Interventionen anbieten zu können.

 

Text: Nöhre

Bild: Mike Auerbach

 

Prof. Dr. Werner Seeger überreicht Dr. Mariel Nöhre den Posterpreis