Ein weiterer Schritt hin zur Biohybridlunge – der erste Posterpreis des DZL-Jahrestreffen

Heute stellen wir das erste Projekt unserer diesjährigen PosterpreisgewinnerInnen des DZL-Jahrestreffen vor. Wir beginnen mit dem Preis der Disease Area 'End-stage Lung Disease'. Das Projekt wurde von Marisa Klara Luise Mälzer, Medizinstudentin der Medizinischen Hochschule Hannover, im Rahmen ihrer Promotion in der Arbeitsgruppe Biohybridlunge unter Leitung von Frau PD Dr. Wiegmann am NIFE, dem Niedersächsischen Zentrum für Biomedizintechnik, Implantatforschung und Entwicklung, bearbeitet. Sie beschäftigte sich mit der Weiterentwicklung der Biohybridlunge als Alternative zur Lungentransplantation. Im speziellen setzte sie sich mit der Verbesserung der Flussstabilität von mit gefäßeigenen Zellen besiedelten PMP-Hohlfasermembranen (PMP) über verstärkte Zwischenzellverbindungen (ZZV) auseinander.

Derzeit ist für Patientinnen und Patienten mit Lungenerkrankungen im Endstadium die Lungentransplantation (DLTx) die einzig lebensrettende Therapieoption. Aufgrund des jährlichen Zuwachses an Betroffenen bei zunehmend limitierter Verfügbarkeit an Spenderorganen steht dies allerdings nur für wenige Menschen zur Verfügung. Um jedoch allen Patientinnen und Patienten mit endständigen Lungenerkrankungen eine alternative Therapieoption zur DLTx anbieten zu können, arbeitet die AG Wiegmann bei BREATH an der Entwicklung der implantierbaren Biohybridlunge (BHL), die auf dem technischen Konzept der extracorporalen Membranoxygenierung (ECMO) beruht. 

Bei nicht mehr ausreichender Gasaustauschleistung der patienteneigenen Lunge können die Betroffenen mit der ECMO am Leben gehalten werden, indem diese die Lungenfunktion temporär übernimmt. Hierbei wird das Patientenblut über Kanülen aus dem Körper geleitet, über PMP-Hohlfasermembranen (HFM) mit Sauerstoff angereichert, sowie von Kohlendioxid befreit, bevor es dann über weitere Kanülen in den Körper zurückgeleitet wird. Im Rahmen dieses unvermeidbaren Kontaktes des zirkulierenden Blutes mit den Fremdoberflächen der ECMO kommt es jedoch zur Aktivierung des Gerinnungssystems, wodurch es zur Ausbildung von Blutgerinnseln kommen kann. Dies muss zwingend durch die Gabe hochdosierter, blutverdünnender Medikamente unterdrückt werden. Trotz adäquater Medikation kann diese Gerinnselbildung jedoch nicht dauerhaft vermieden werden, sodass u. a. der Blutfluss durch die ECMO bereits nach wenigen Tagen bis Wochen zum Erliegen kommen kann.
 
Basierend auf diesen schwerwiegenden, teils lebensbedrohlichen Nebenwirkungen ist die Anwendungsdauer der ECMO zeitlich stark limitiert und kann dadurch nicht als Alternative zur DLTx angesehen werden, insbesondere weil die ECMO-Patientinnen und Patienten intensivmedizinisch überwacht werden müssen. 
Erst durch das effektive Verhindern der Gerinnungsaktivierung, sowie dem Sicherstellen des Ausbleibens der Gerinnselbildung ist die Langzeit-Anwendung und Implantation eines solchen Systems vertretbar. Dies umzusetzen, hat sich die Arbeitsgruppe von Frau PD Dr. Wiegmann zur Aufgabe gemacht, indem sie die sogenannte Biohybridlunge auf der technologischen Basis des ECMO-Systems entwickelt. Das primäre Ziel hierbei ist es, alle blutkontaktierenden Oberflächen mit einer bioidentischen Schicht aus Blutgefäß-Endothelzellen (EC) zu verkleiden, sodass Blutgerinnsel an den Fremdoberflächen nicht mehr entstehen können und so die Gabe von Blutverdünnern unnötig wird. Die erfolgreiche Umsetzung dieser Idee konnte u. a. bereits für die HFM unter statischen Bedingungen gezeigt werden. Unter Anwendung flussdynamischer Bedingungen ist jedoch aufgefallen, dass sich vereinzelt Zellen aus dem Zellverbrand herauslösen. Im Rahmen des Promotionsprojektes von Frau Mälzer wurde daher nach Möglichkeiten gesucht, die Flusswiderstandskraft der Zellen zu fördern, um dieses Herauslösen zu vermeiden. Basierend auf Erkenntnissen aus der Forschung an der Blut-Hirnschranke, die zeigen, dass eine Vorbehandlung des endothelialen Zellrasens mit serum- und wachstumsfaktorfreiem Kulturmedium (SFM) zur Verstärkung von Zell-Zell-Verbindungen sowie der zellulären Barrierefunktion (BF) führen, wurde die Hypothese aufgestellt, dass sich diese Verstärkung auch positiv auf den flussdynamischen Zellerhalt bei der BHL auswirkt. 
Zunächst konnte im sogenannten Transwell-Assay der beschriebene verstärkende Effekt mit den für die BHL-Entwicklung relevanten ECs bestätigt werden. Hierbei korrelierte die Zunahme der BF mit einer dichteren Ausprägung der Zwischenzellverbindungen (ZZV). Nachfolgend konnte dies auch für den endothelialen Zellverband auf Albumin/Heparin- und fibronektinbeschichteten HFM gezeigt werden, bei denen die SFM-Inkubation ebenfalls zu einem lückenlosen Zellrasen mit mikroskopisch sichtbarer Zunahme der ZZV führte. Insbesondere nach 2-stündiger SFM-Vorbehandlung konnte dieser Effekt auch auf genetischer Ebene durch die gesteigerte Expression ZZV-assoziierte Proteine bestätigt werden. Im Anschluss wurden sowohl SFM-inkubierte, als auch endotheliale Zellrasen ohne SFM-Vorbehandlung auf den unterschiedlich beschichteten HFM klinisch relevanten Flussbedingungen für 24 Stunden ausgesetzt und miteinander verglichen. Hierbei zeigte sich ein signifikant verbesserter Erhalt des lückenlosen Zellverbandes bei voriger SFM-Vorbehandlung, wobei dieser Effekt auf den fibronektinbeschichteten HFM am deutlichsten war.
Die in dieser Arbeit erzielten Ergebnisse werden in das zukünftige, optimale Flussadaptionsprotokoll des endothelialen Zellverbandes auf den HFM einfließen, um die Zellen optimal auf die klinisch relevanten Strömungsbedingungen innerhalb der BHL vorzubereiten. Diese Daten sind daher ein weiterer wichtiger Schritt Richtung translationaler Realisierung der BHL und der „first-in-human“-Anwendung als Alternative zur DLTx.

 

Text: BREATH/ AG Wiegmann

Foto: privat

Posterpreisgewinnerin Marisa Mälzer vor ihrem ausgezeichneten Poster