Wie COVID-19 das Herz dauerhaft schädigt

Ein interdisziplinäres BREATH-Forschungsteam MHH konnte in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Aachen, der Universitätsmedizin Mainz und der Georg-August-Universität Göttingen erstmals zeigen, wie die Entzündung bei einer COVID 19-Infektion die kleinsten Gefäße im Herzen verändert. Die Ergebnisse wurden aktuell im renommierten Fachjournal Angiogenesis publiziert.

Schwere Krankheitsverläufe einer COVID-19-Infektion beeinträchtigen nicht nur die Lungenfunktion, sondern können auch lebensbedrohliche Folgen für das Herz hervorrufen. Das Spektrum reicht von einer akuten Herzmuskelentzündung (Myokarditis) bis zu einer chronischen Einschränkung der Pumpfunktion des Herzens. Die grundlegenden Schädigungsmuster konnten bis zum heutigen Tag nicht gänzlich nachgewiesen werden. Mit Hilfe innovativer molekularer Verfahren und eines hochauflösenden Mikroskopieverfahrens zeigte das interdisziplinäre Team umd Prof. Dr. Danny Jonigk, PD Mark Kühnel und Christopher Werlein, wie die andauernde Entzündung bei COVID-19 das Herzgewebe angreift und langfristig die kleinsten Herzkranzgefäße umbaut, indem spezielle Vorläuferzellen des Immunsystems aus dem Blut in das Herz gelotst werden. Die BREATH-Arbeitsgruppe forscht bereits seit Ausbruch der Coronapandemie an den Ursachen und Folgen der Infektion und konnte ihre Ergebnisse bereits mehrfach in international renommierten Fachjournals publizieren und damit zum besseren Verständnis der Erkrankung beitragen. 

Fehlaktivierte Entzündungszellen

Etwa jeder Dritte klagt nach einer schweren COVID-19-Erkrankung über Beschwerden und Funktionseinschränkungen des Herzens. Um die Mechanismen dieser langanhaltenden Herzmuskelschädigung aufzuklären, haben die Forschenden Herzgewebe von Patientinnen und Patienten mit schweren COVID-19-Verläufen untersucht und diese mit Gewebeproben nach schweren Grippe-Infektionen durch das Influenzavirus sowie nach schweren, durch andere Viren verursachte Herzmuskelentzündungen verglichen. Obwohl bei der COVID 19 Herzschädigung – anders als bei den Vergleichsproben – äußerlich keine klassische Entzündung des Herzgewebes festzustellen war, fand das Forschungsteam jedoch eine große Ansammlung von fehlaktivierten Entzündungszellen: sogenannte Makrophagen und ihre Vorläuferzellen, die Monozyten. „Diese Monozyten haben eine herausragende Bedeutung als Vorläuferzellen der Blutgefäßneubildung und können in kürzester Zeit das Blutgefäßsystem umbauen“, erklärt Christopher Werlein, Erstautor der Studie.

COVID-19 greift alle Gefäße im Körper an

Ausgelöst durch die Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 sammeln sich in den nur wenige Millimeter dicken Herzgefäßen kleinste Verstopfungen an. „Diese Ultrathromben verändern den Blutstrom erheblich und damit auch die Sauerstoffversorgung“, betont PD Dr. Kühnel. Das ruft die Monozyten auf den Plan, die sich an die inneren Gefäßwände heften und dort neue Verzweigungen ausbilden. Diesen Gefäßumbau – in der Fachsprache intussuszeptive Angiogenese genannt – hat das Team bereits zuvor in anderen Organen von COVID 19 Betroffenen als charakteristisches Schädigungsmuster beschrieben. Was möglicherweise als kurzfristige Rettungsreaktion des Körpers gedacht ist, um den verminderten Blutfluss und die Unterversorgung mit Sauerstoff auszugleichen, könnte zur chronischen Schädigung des Herzens und zu Long Covid führen, vermuten die Forschenden. „Auf jeden Fall bestätigen die neuesten Untersuchungen unsere frühere Annahme, dass SARS-CoV-2 systemisch alle Gefäße im Körper angreift und diese langfristig umbaut“, betont Professor Jonigk.
 

Die Originalarbeit „Inflammation and vascular remodeling in COVID-19 hearts” finden Sie hier.

 

Text: MHH

Foto: Karin Kaiser/Abb.: Image rendering courtesy Siemens Healthineers 2022, data courtesy UCL’s ESRF Beamtime MD1290

 

PD Dr. Mark Kühnel (links) und Christopher Werlein an einem Mehrender-Mikroskop mit einem Gewebeschnitt der durch COVID-19 umgebauten Herzgefäße