Dr. J.-C. Kamp untersucht Pathobiologie vaskulärer Veränderungen bei Lungengefäßerkrankungen

PRACTIS, das DFG geförderte Clinician Scientist Programm an der MHH, sorgt dafür, dass Ärztinnen und Ärzte aus ihrer Kliniktätigkeit freigestellt werden, um wissenschaftlich arbeiten zu können. Neben BREATH-Nachwuchswissenschaftlerin Dr. Da-Hee Park, über deren Projekt wir bereits berichteten, ist auch Dr. Jan-Christopher Kamp im Rahmen des PRACTIS Programms von seiner klinischen Tätigkeit freigestellt. Er untersucht in der Arbeitsgruppe für Lungenforschung am Institut für Pathologie die Interaktion der Lungenkapillaren mit dem umgebenden Gewebe.

Im Rahmen des Clinician Scientist Programms PRACTIS ist der Assistenzarzt von seinen Verpflichtungen in der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover für einen Zeitraum von drei Jahren mit 50 % freigestellt. Im Zentrum seiner Forschungstätigkeit stehen die Untersuchung der Pathophysiologie der schweren COVID-19 Erkrankung sowie der alveolären kapillären Dysplasie (ACD), einer seltenen Ursache der persistierenden pulmonalen Hypertonie des Neugeborenen (PPHN). Bei dieser Lungenentwicklungsstörung führt eine gestörte Ausbildung von Alveolarsäckchen in der Lunge zu einer unvollständigen Ausreifung der Alveolen mit interstitieller, alveolar-septal betonter Fibrose und fehllokalisierten Lungenkapillaren. Dies führt bei Betroffenen zu einem gestörten Gasaustausch und einer gestörten Mikrozirkulation. Betroffene Neugeborene versterben oft bereits innerhalb der ersten Lebenstage und nur in Ausnahmefällen besteht als ultima ratio die Möglichkeit einer Lungentransplantation. In ca. 60% aller Fälle bestehen genetische Varianten des Transkriptionsfaktors forkhead box F1 (FOXF1), welcher unter anderem eine wichtige Rolle in der Differenzierung des pulmonalen Mesenchyms spielt. Die genaue Pathophysiologie der Erkrankung ist bislang jedoch nicht vollständig verstanden.

Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team beschäftigt sich Herr Dr. Kamp mit der Erforschung dieser Erkrankungen. Dabei nutzen die Forschenden multi-omics Analysen zur Untersuchung der molekularen Prozesse und Signalwege, welche eine Rolle in der Pathophysiologie der Erkrankung spielen. Darüber hinaus nutzen sie in Kooperation mit MHH-internen und externen Kooperationspartnern verschiedene bildgebende Verfahren zur 3D-Analyse der pulmonalen Kapillararchitektur und des Lungenparenchyms. „An der wissenschaftlichen Arbeit in unserem Team reizt mich, dass wir Wissen aus verschiedensten Disziplinen vereinen. „Mit unserem Know-How und der hervorragenden technischen Infrastruktur innerhalb unserer Arbeitsgruppe können wir den Grundstein für ein besseres Verständnis dieser Erkrankungen legen“, sagt Dr. Kamp.

In einer kürzlich in „The Lancet eBioMedicine“ erschienenen Studie präsentierten die Forschenden Ihre Ergebnisse zur Pathophysiologie der schweren COVID-19 Erkrankung und des damit assoziierten fibrotischen Lungengewebsumbaus. Mithilfe Synchrotron-basierter hierarchischer Phasenkontrast-Tomographie (HiP-CT) und weiterer bildgebender Verfahren sowie diversen molekularen Verfahren zur Analyse von Transkriptom, Proteom und Metabolom untersuchten die Forschenden Lungengewebe von Patient*innen, die an verschiedenen Zeitpunkten ihres Krankheitsverlaufs an einer schweren COVID-19 Erkrankung verstorben waren und verglichen dies verschiedenen Formen der Lungenfibrose oder schwerer Influenza A Infektion sowie mit gesundem Kontrollgewebe. Mit dieser Herangehensweise konnte eine Sequenz von Mechanismen und korrespondierenden molekularen Veränderungen herausgearbeitet werden, die ein besseres Verständnis für den fibrotischen Lungengewebsumbau bei schwerem COVID-19 erlaubt. Die Forschenden fanden ausgedehnte thrombotische Verschlüsse von kleinen Ästen der Lungen- und Bronchialarterien mit sekundärer Minderdurchblutung der Lungenläppchen, wodurch es in der Folge zu einer deutlichen Expansion des Kapillarnetzes der Lunge durch eine Sonderform der Blutgefäßneubildung, die sog. intussuszeptive Angiogenese kommt, die wiederum maßgeblich zum sich anschließenden fibrotischen Umbau des Lungengewebes beiträgt.

Die Rolle der intussuszeptiven Angiogenese untersuchten die Forschenden auch in der ACD. Bei dieser Sonderform der Blutgefäßneubildung entsteht ein Kontakt gegenüberliegender Endothelzellen innerhalb der Kapillare, der zur Bildung einer Gewebesäule innerhalb des Blutgefäßes führt. Durch Einlagerung gefäßbildender Vorläuferzellen verbreitert sich diese Säule zu einem Septum bis hin zur vollständigen Aufteilung der Kapillare in zwei neue Gefäße. Dieser Mechanismus ermöglicht innerhalb weniger Stunden eine Expansion des vaskulären Plexus, woraus kurzfristig eine verbesserte Perfusion und metabolische Austauschkapazität resultieren. Bei einer überschießenden Expansion resultiert jedoch ein aberranter Umbau des kapillären Netzwerks.

Mithilfe einer speziellen Technik zur Erstellung von Gefäß-Ausguss-Präparaten, dem „microvascular corrosion casting“, konnten Dr. Kamp und seine Arbeitsgruppe eine hohe Prävalenz intussuszeptiver Säulen in den Kapillaren aus ACD-Lungengewebe sichtbar machen. Die Aufarbeitung der zugrundeliegenden molekularen Mechanismen dieser Veränderung ergab eine verstärkte Aktivität Hypoxie-abhängiger Signalwege sowie eine besondere Rolle von TIE2-positiven Makrophagen welche nun als potentielle Induktoren der intussuszeptiven (Neo-)Angiogenese diskutiert werden. Ihre Ergebnisse veröffentlichten Dr. Kamp und Kollegen im renommierten „American Journal of Pathology“.

Rückblickend zeigt sich Herr Dr. Kamp mehr als zufrieden mit seiner Förderung im Rahmen des PRACTIS Clinician Scientist Programms, die es ihm erlaubte, sich für 18 Monate voll auf seine Forschungstätigkeit zu fokussieren. Nachdem dieser Zeitraum sehr erfolgreich verlief, wurde ihm gemeinsam mit Frau Dr. Lavinia Neubert aus dem Institut für Pathologie die gemeinsame Leitung der Arbeitsgruppe für Lungenforschung anvertraut, nachdem der bisherige Arbeitsgruppenleiter, Herr Prof. Dr. Danny Jonigk, die MHH zum 01.09.2022 als neuer Direktor des Instituts für Pathologie der RWTH Universität Aachen verlassen hat.

Noch bis 15.01.2023 können sich Interessierte für einen Platz in der nächsten Runde des PRACTIS Programms bewerben. Auch BREATH finanziert wieder einen der Clinician Scientists. Alle Informationen zur Bewerbung finden sich auf der PRACTIS Homepage.

 

Text: BREATH/AB

Foto: MHH/Tom Figiel

Clinician Scientist Dr. Jan-Christopher Kamp