STAT3 bei Mukoviszidose besser verstehen – Interview mit PD Dr. Frauke Stanke

BREATH-Wissenschaftlerin PD Dr. Frauke Stanke und ihre Arbeitsgruppe von der Medizinischen Hochschule Hannover untersuchten in einem 2016 begonnenen Projekt, welche Rolle das Protein STAT3 bei der Bildung von CFTR-Kanälen in der Zelle spielt. Das STAT3-Gen ist als modifizierendes Gen bei Mukoviszidose in Vorarbeiten beschrieben worden. Das von dem Gen kodierte Protein, STAT3, fungiert als Transkriptionsfaktor, der in der Zelle steuert, welche der ca. 20.000 Gene des Menschen wie stark exprimiert werden. Inzwischen weiß man, dass STAT3 gleichzeitig aber auch in Signalkaskaden eingebunden ist, die die Immunantwort beeinflussen.

Vorarbeiten des Projektes hatten gezeigt, dass STAT3 ein modifizierendes Gen der Mukoviszidose ist und die CFTR-vermittelte Restfunktion bei F508del-CFTR homozygoten Patienten beeinflusst. Das Ziel des 2016 begonnenen Projektes lag daher zunächst auf der Rolle des STAT3 als Transkriptionsfaktor und der Wirkung von STAT3 auf die Expression von reifem, vollständig glykosyliertem CFTR-Protein. Wir haben mit Frauke Stanke über die Ergebnisse des Projektes gesprochen.
Das Team um Frauke Stanke veröffentlichte die Ergebnisse des Projekts im Fachjournal „Human Molecular Genetics“ und gab dem Mukoviszidose e.V. ein Interview für ihren Blog zum Verlauf der Forschung. 

Welche Frage(n) sollte Ihr Projekt beantworten?

Transkriptionsfaktoren sagen der Zelle, welche Gene abgelesen und in Proteine übersetzt werden und welche Gene bzw. deren Proteine gerade nicht gebraucht werden. Sprechen die Forscher von Genexpression, so meinen sie damit das Ablesen und die Herstellung des im Gen kodierten Proteins. Es gibt verschiedene Transkriptionsfaktoren. Auch das Mukoviszidose-Gen CFTR wird in seiner Expression über Transkriptionsfaktoren reguliert.  Soweit, so gewöhnlich – unbekannt war bei Start des Projektes, ob der Transkriptionsfaktor STAT3 die Expression des Gens CFTR und damit die Herstellung des CFTR-Kanals direkt beeinflussen kann. Das CFTR-Protein fungiert als Chlorid- und Bikarbonatkanal an der nach außen gerichteten Zelloberfläche in Atemwegszellen und anderen Oberflächenzellen und reguliert den Flüssigkeitsfilm in den Atemwegen. Das Projekt sollte zeigen, ob ein Eingriff in der Zelle, mit der die Wirkung von STAT3 reduziert wird, auch zu weniger CFTR-Protein führt.

Konnten alle Experimente wie geplant durchgeführt werden?

Ja, das konnten sie – leider warfen die geplanten Zellkulturexperimente, die wir durchgeführt haben, zunächst weitere Fragen auf. Wir konnten den vorhergesagten Effekt „weniger STAT3-Funktion führt zu weniger CFTR-Protein“ nur für eine der beiden untersuchten Zelllinien zeigen, was wir uns so nicht erklären konnten. Um eine Antwort zu finden, haben wir eine klinische retrospektive Beobachtungsstudie angeschlossen, um zu untersuchen, ob für Mukoviszidose-Patienten viel oder wenig STAT3 gut ist. Für diese Beobachtungsstudie haben wir zurückblickend die klinischen Verläufe von ca. 140 Mukoviszidose-Betroffenen (alle F508del homozygot) angeschaut, die im CF-Zentrum in Hannover behandelt wurden. Aus früheren Untersuchungen waren zudem Informationen über die STAT3-Gene bei diesen Patienten verfügbar. Die dokumentierten Daten der klinischen Verläufe konnten wir so mit den genetischen Informationen in STAT3in Zusammenhang setzen. Die in Zellen gebildete STAT3-Menge kann man mithilfe dieses genetischen Markers in STAT3 bei allen Menschen ableiten.

Welche Antworten gibt das Projekt?

Mit den Zellkulturexperimenten und den klinischen Daten konnten wir zeigen, dass in Lungenepithelzellen weniger STAT3 zu mehr CFTR-Protein führt. Aber: die Beobachtung von Mukoviszidose-Patienten, die zwischen 1959 und 1994 geboren wurden und am CF-Zentrum in Hannover behandelt wurden, hat gezeigt, dass dies kein Nachteil ist. Im Gegenteil: bei Patienten, die vor 1970 geboren wurden, hatten diejenigen einen Vorteil, die viel STAT3 bilden konnten.

Was bedeuten Ihre Ergebnisse für CF-Patienten?

Wir deuten unsere Daten so: Die Rolle von STAT3 in der Atemwegsoberflächenzelle ist wichtig für die Menge an CFTR-Protein, dort gilt: weniger STAT3 ist gut für mehr CFTR-Protein. Aber in anderen Zellen des Körpers – z.B. in immunologisch relevanten Zellen – ist weniger STAT3 nicht unbedingt hilfreich, da weniger STAT3 die Immunantwort vielleicht schwächen und Infektionen möglicherweise erleichtern kann.  Damit war weniger STAT3 für Patienten, die vor 1970 geboren wurden, sogar schädlich. Bei Patienten, die später geboren wurden – also in einer Zeit, in der gute therapeutische Gegenmaßnahmen gegen Infektionen möglich waren – ist die genetische Prädisposition von STAT3 nicht entscheidend für den klinischen Verlauf. Der Einfluss von STAT3 auf das Krankheitsgeschehen bei Mukoviszidose ist nun besser verstanden – auch wenn die Ergebnisse nun eher Zurückhaltung fordern, wo zu Beginn des Projekts vielleicht noch an STAT3 als therapeutisches Ziel zur Verbesserung der CFTR-Herstellung gedacht wurde. Für CFTR-exprimierende Epithelzellen stimmt das noch immer, aber ein systemischer Therapieansatz – der auch Immunzellen bestreffen würde – ist nicht zielführend.
Aus unseren Untersuchungen lernen wir aber auch, dass Studien, bei denen klinische Verläufe über einen sehr langen Zeitraum verfolgt werden, auch immer die Veränderungen der CF-Therapie mit einbeziehen müssen.

Gibt es Einschränkungen bei der Interpretation Ihrer Ergebnisse?

Es ist möglich, dass die Therapie einen Einfluss darauf hat, ob der Transkriptionsfaktor STAT3 auf CFTR eine klinisch relevante Wirkung zeigt – zumindest in der Patienten-Kohorte aus Hannover, die wir in der Beobachtungsstudie daraufhin untersucht haben, deutete alles darauf hin. Die Ergebnisse lassen sich aber nicht für alle Mukoviszidose-Patienten verallgemeinern.

Wie sieht Ihr weiterer Forschungsplan zu diesem Thema aus?

Wir werten derzeit Daten von Patientenpaaren aus Europa aus, um zu erfragen, ob der beobachtete Effekt auch an anderen Patientenkollektiven gesehen werden kann. Daneben wollen wir gerne benennen, welche Immunzellen dafür verantwortlich sind, dass für vor 1970 geborene Patienten eine hohe STAT3-Expression vorteilhaft ist. Der genetische Marker in STAT3 erfasst die Prädisposition sehr zuverlässig und ist gut dazu geeignet, dieser Frage nachzugehen. Diese Ergebnisse könnten helfen, die Rolle von STAT3 bei Mukoviszidose für CFTR-exprimierende Epithelzellen und Immunzellen besser zu verstehen und zielgerichteter therapieren zu können.

Für das Projekt hat der Mukoviszidose e.V. ein Stipendium und Forschungsmaterialien für eine experimentelle Doktorarbeit zur Verfügung gestellt. Für weitergehende Fragestellungen wird das Deutsche Zentrum für Lungenforschung die Finanzierung übernehmen, sodass das Team um PD Dr. Stanke die Mukoviszidose Forschung am Standort Hannover langfristig fortführen kann. 
 

Text: Mukoviszidose e.V.

Foto: privat

PD Dr. Frauke Stanke

PD Dr. Frauke Stanke