Prävention durch Impfen

Komplexe Assoziation zwischen Atemwegsinfekten, kardiovaskulären Komplikationen und der Prävention durch Impfen

 

Aktueller Review: BREATH-WissenschaftlerInnen diskutieren komplexe Assoziation zwischen Atemwegsinfekten, kardiovaskulären Komplikationen und der Prävention durch Impfen

 

Influenza, Pneumokokken, SARS-CoV2, RSV: Erreger von Atemwegsinfektionen können nicht nur schwere Infektionskrankheiten verursachen. Sie erhöhen auch die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Ein wichtiger Player auf diesem Parkett sind Impfstoffe. „Doch die Zusammenhänge sind komplex“, so PD Dr. Jessica Rademacher, die an der Medizinischen Hochschule Hannover das ABS (Antibiotic Stewardship) leitet. Gemeinsam mit Klinikdirektor Prof. Dr. Tobias Welte, dem im März plötzlich verstorbenen, international renommierten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Pneumologie und Infektiologie, hatte sie sich für einen Review die Datenlage sehr genau angeschaut. Das Ergebnis hat weitreichende Konsequenzen.

Atemwegsinfekte erhöhen das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen, insbesondere bei älteren Patientinnen und Patienten. Die Assoziation zwischen Influenza und kardiovaskulären Ereignissen ist signifikant. Umgekehrt erkranken Patienten mit manifester kardiovaskulärer Erkrankung vermehrt an einer Influenza. Was die beiden BREATH-Wissenschaftler besonders interessierte, war die Bedeutung von Impfungen in diesem Kontext. Prospektive Studien und Metaanalysen zeigen den Effekt von Influenza- und Pneumokokken-Vakzinen auf das kardiovaskuläre Outcome in der Gesamtbevölkerung. Besonders umfangreich ist die Datenlage für die „Grippe“-Impfung. Und sie ist eindeutig: „Die Influenza-Impfung scheint einen günstigen Effekt in der Primär- und Sekundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse zu haben“, so Dr. Rademacher. Es kommt etwa zu einer Halbierung des Risikos für CVD (cardiovascular disease) -assoziierte Ereignisse und Hospitalisierungen. Der Impfstoff gegen Pneumokokken (PPSV23) reduziert nachweislich die Gefahr für MACE (major adverse cardiac event) bei Patientinnen und Patienten jenseits des 65. Lebensjahres. 

„Weniger eindeutig ist die Situation bei COVID-19-Infektionen“, sagte Prof. Welte. Der Zusammenhang von Impfung und kardiovaskulärem Outcome ist nur unzureichend untersucht. Die größte US-amerikanische Patientenkohorte, die die Assoziation von Impfung und MACE betrachtete, ergab jedoch eine Reduktion von Myokardinfarkt und ischämischem Schlaganfall bei kompletter Immunisierung. Ungünstige kardiovaskuläre (kv) Effekte nach der Impfung gegen SARS-CoV2, wie Myokarditis oder Perikarditis, sind bekannt, allerdings sehr selten. RSV-Impfstoffe für Ältere befinden sich noch in klinischen Phase-III-Studien oder im Zulassungsprozess. 

Erstautorin Dr. Rademacher und Professor Welte zogen Bilanz aus den Ergebnissen des Reviews. Sie betonten Impfungen generell als hocheffektive präventive Maßnahme, vor allem auch für kv-Risikopatienten. „Alle Patienten mit einer kardiovaskulären Grunderkrankung sollen, zusätzlich zu den üblichen Standardimpfungen, auch gegen Influenza, Pneumokokken, SARS-CoV2 und, wenn möglich, RSV geimpft werden“. Ihre Empfehlung lautet konkret

  • einen Hochdosis- oder adjuvantierten quadrivalenten Influenzaimpfstoff einmal jährlich
  • eine einmalige Dosis PCV20
  • eine Grundimmunisierung samt Booster gegen SARS-CoV2 mit einer mRNA-Vakzine 
  • eine RSV Impfung, sobald die STIKO eine Empfehlung ausspricht.

Zudem gilt es die „awareness“ von Kardiologen sowie kardiovaskulären Risikopatienten für die Bedeutung der Impfungen zu erhöhen. „Die Prävention von Infekten durch Immunisierung ist ein Eckpfeiler in der Prophylaxe kardiovaskulärer Komplikationen und Todesfälle“, bringt Dr. Rademacher die Bedeutung der Immunisierung dieser Risikogruppe auf den Punkt. Trotz wissenschaftlicher Evidenz für Wirksamkeit, Sicherheit und Benefit für den Patienten seien die Impfraten in dieser Population eher „suboptimal“.  Die Akzeptanz müsse bei PatientInnen und ÄrztInnen nicht zuletzt auch durch konkrete Empfehlungen deutlich verbessert werden. 

J. RADEMACHER ET AL EUR J PREV CARDIOL. 2024; ZWAE016 
Hier geht es zur Originalpublikation: https://doi.org/10.1093/eurjpc/zwae016
 
Text: Beate Fessler / BREATH
Foto: BREATH 

Prof. Dr. Tobias Welte mit PD Dr. Jessica Rademacher (Klinik für Pneumologie und Infektiologie, BREATH - Hannover Standort des Deutschen Zentrums für Lungenforschung | DZL)